Betheln und umzu Schattenlinie




Was uns der Bücherschrank erzählt

Der Bücherschrank im Winter
Der Bücherschrank im Winter

Seit Juni 2020 gibt es am Dorfgemeinschaftshaus auf dem Spielplatz des Kindergartens einen öffentlichen Bücherschrank zum Stöbern und Tauschen. Der Verein für Dorfpflege machte dies möglich.

Die anfängliche Skepsis einiger Weniger verschwand sehr schnell, denn der Schrank erfreut sich vom ersten Tage an großer Beliebtheit.

Auch die anfängliche Sorge, dass der lauschige Platz unter der Eiche wohl eher nicht ganz so geeignet sei, verflüchtigte sich rasch - oder sollten die Zweifler doch recht behalten? Ausgerechnet kurz nach der Einweihung tropfte eine klebrige Masse, nämlich Absonderungen von Blattläusen, von dem stattlichen Baum! Nach 2 Tagen konnten wir erleichtert feststellen, dass der Spuk nur vorübergehend war und ordneten diese „Begrüßung“ als eine Art „Taufe“ ein, denn danach gab es glücklicherweise keine bösen Überraschungen mehr.

Gerade das schwierige Jahr 2020, das uns ein bis dahin nicht gekanntes Problem namens Covid 19 beschert hat, trug dazu bei, dass zahlreiche Leseratten, die nun viel mehr Zeit in ihren Wohnungen und Häusern verbrachten, diese Tatsache wohl nutzten, um gründlich aufzuräumen. Unter anderem wurden Bücherschränke und -regale kritisch durchgesehen, was unserem neuen „Gemeinschaftsmöbel“ in der Mitte des Dorfes zugute kam. Täglich gab es neue Lektüre aus unterschiedlichsten Bereichen und täglich verschwand auch Lesestoff aus dem Ausleihschrank, so wie es sein sollte, denn es zeigte sich durchgehend, dass in unseren 3 Dörfern intensiv gelesen wird.

Dabei ließ sich erkennen, dass viele von uns vor allem Spaß an ungelösten Fällen haben, denn jede Menge Krimis fanden und finden neue Besitzer. Auch Biografien, historische Romane und Bilder- bzw. Kinderbücher erfreuen sich großer Beliebtheit. Vor allem die Kindergartenkinder waren schon bei den Vorarbeiten angetan und erkundigten sich immer wieder mit großem Interesse nach dem zu erwartenden Projekt. Als der Schrank dann aufgebaut war, stöberten sie oft und gerne in der bunten Auswahl, die sich für diese Altersgruppe gut erreichbar im unteren Regalbereich befindet.

Fast könnte man sagen, dass sich der Platz rund um den Bücherschrank zu einem Treffpunkt entwickelt hat: Mütter und Väter, die ihre Sprösslinge zum Kindergarten bringen, schauen vorbei, ebenso, wie die Leute, die sich im Dorfgemeinschaftshaus treffen, die Sportlerinnen und Sportler nicht zu vergessen. Der Schrank ist sehr schnell auch zu einem willkommenen Ziel für Spaziergänger aller Altersgruppen geworden. Bei einem meiner Besuche am Bücherschrank erzählte mir ein Motorradfahrer, dass er seiner Frau immer mal wieder den einen oder anderen Thriller aus unserem Schrank mitbringe, betonte aber, dass er auch schon Bücher nach Betheln gebracht habe. Er komme extra aus Eldagsen und habe von Freunden von dieser Möglichkeit in unserem Dorf erfahren, denn der Schrank stehe ja nicht gerade sichtbar an einer viel befahrenen Durchgangsstraße.

Seinen Bürgermeister informierte er bereits, wie er berichtete, dass in einem Dörfchen - dreimal kleiner als Eldagsen - diese tolle Möglichkeit des Büchertauschs bestehe. Es bleibt zu beobachten, ob er in der kommenden Zeit weiterhin nach Betheln fahren muss oder ob Eldagsens Bürgermeister ein offenes Ohr für Lesefreuden hat?

Kurz nach den Sommerferien, ebenso wie nochmal in der Vorweihnachtszeit „entsorgte“ eine Schülerin oder ein Schüler entweder nach bestandenem Abitur oder aus Schulfrust 14(!) Oberstufenbücher in unserem Schrank. Da fand man „Grundlagen der Chemie Klasse 11 -13“ und „Impulse Physik heute“. Es gab „Die Facharbeit in der Sek.II“ und „Textanalyse in der Oberstufe“, sowie Klassenlektüre wie Thomas Manns „Tonio Kröger“ und Bertold Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ mit eifrig in blau und orange markierten Textstellen. Eigentlich war der Schrank nicht als Schulbibliothek gedacht, aber die Möglichkeit, ihn auch so zu benutzen, war und ist allemal besser, als die Bücher in der Altpapiertonne zu versenken!

Apropos „Tonne“: es gibt nur wenige Bücher, die „zerlesen“, alt oder nicht so ganz zum „In-die-Hand-nehmen“ auffordern, die meisten sind gut bis sehr gut erhalten und eher jüngeren Datums, auch die Auswahl ist umfassend - allerdings gab es auch eines Tages ein über 30(!) Jahre altes Computerlexikon zu bestaunen! Auffällig ist auch, dass sich immer mehr Leute von ihren Gesundheitsratgebern trennen, vermutlich, weil das Internet doch aktuellere Informationen bietet.

Einmal entspann sich eine kleine Unterhaltung zwischen zwei ca 8-jährigen Jungen, die auf dem angrenzenden Spielplatz bolzten, und mir. Sie kamen neugierig auf mich zu und erkundigten sich, was es mit diesem „eigenartigen Schrank“ auf sich habe. Als ich ihnen von den Tauschmöglichkeiten erzählte, suchten sie sich spontan jeweils ein Buch aus – allerdings für ihre Eltern. Meinem Hinweis, dass auch sie sich bei den Kinder- und Jugendbüchern in der unteren Regalreihe gerne bedienen könnten, hörten sie zwar aufmerksam, winkten dann aber recht schnell mit großer Entschiedenheit ab und erklärten, dass das ganz und gar nichts für sie sei, da sie viel, viel lieber draußen spielen würden - auch bei Regen und sogar im Winter.

Kurz vor Weihnachten 2020 wollte vermutlich jemand anderen „Bücherschrankstöberern“ ein Lächeln ins Gesicht zaubern, denn neben dem mitzunehmenden Lesestoff saß ein lexikongroßes Kuscheläffchen sowie eine etwas kleinere Stofftiermaus auf den Regalbrettern - womöglich sollten sie das Geschehen rund um den Bücherschrank beobachten und sich über den regen Austausch mit mir freuen ?

Dietlind Kemmerer, 2021

Wie ein öffentlicher Bücherschrank in unser Dorf kam

Der Bücherschrank
Der öffentliche Bücherschrank am Kindergarten
Von der Idee, einen Bücherschrank für unsere drei Dörfer einzurichten, bis zur Umsetzung ist ganz schön viel Wasser die Leine heruntergeflossen!

Eigentlich schien alles ganz einfach: Modell aussuchen, Angebote einholen, Zusage geben, Anlieferung, Bezahlung, Aufstellung – fertig!

So oder so ähnlich hatten wir uns das im Lesekreis überlegt, doch dann wurde unsere Geduld auf eine harte Probe gestellt und auch ein ungeahnter Arbeitseinsatz begann! Viele Dinge, mehr als je gedacht, mussten umgesetzt werden: Unterschiedliche Angebote hatte Angela Grapentin noch im Sommer 2019 recht zügig per Telefon eingeholt, doch als diese nach und nach vorlagen, wurden unsere Gesichter immer länger, denn die Summen schienen utopisch – so verließ uns erst einmal der Mut, bis wir bei unserer ersten Lesenacht im Juni 2019 einen Kontakt mit einer Hildesheimer Einrichtung herstellen konnten, die uns dann aber nach Wochen des Wartens versetzte. So ging das Jahr zu Ende, ohne einen weiteren Anlauf zu starten, denn es gab im Verein viele andere Dinge zu tun und außerdem machte sich eine leichte Frustration bei den Bücherschrankaktivistinnen breit.

Ende Januar 2020 startete Dietlind Kemmerer einen neuen "Anschubsversuch" und es stellte sich heraus, dass Jürgen Kossmann Kontakt zu den Lammetal-Werkstätten in Lamspringe hatte. Am 9. März gab es dann das erste Telefonat zwischen Dietlind und der Werkstatt, schon mit konkreten Zahlen und Daten, und dann ging alles plötzlich ruckzuck! Die Lammetaler erwiesen sich als unglaublich kooperativ, zuverlässig, freundlich und SCHNELL! Das schriftliche Angebot kam noch am selben Tag, der Vereinsvorstand gab seine Zustimmung (das leise Zähneknirschen einiger Vorstandsmitglieder nahmen wir dabei nicht so richtig wahr), der Auftrag, weil der finanzielle Rahmen passte, wurde erteilt, Spenden wurden akquiriert und los ging's! Schon am 6. Mai – viel früher als gedacht - kam die überraschende und freudige Nachricht, dass der Bücherschrank – FERTIG sei!

In der Zwischenzeit waren alle anderen jedoch auch nicht untätig: bei allem, was wir in Sachen Bücherschrankprojekt taten, begleitete uns Marita Schulenburg mit ihrem kreativen Sachverstand. Sie war bei der Standortfindung mit von der Partie, schoss Fotos und gestaltete den schönen Flyer für alle Haushalte sowie das Hinweisschild zum richtigen Umgang mit der Bücherbörse und außerdem – ganz wichtig – kümmerte sie sich mit Claudia Fischer um eine originelle Spendenbox.

Angela, Marita und Dietlind unternahmen per Ortserkundung eine Abwägung einiger möglicher Standorte für unseren zukünftigen Bücherschrank; Angela holte Informationen des Bauamtes und der Samtgemeinde Leinebergland ein; Kontakt mit der Kindergartenleiterin Sonja Kolmorgen wegen des inzwischen ausgeguckten Standortes auf dem Gelände des Spielplatzes wurde hergestellt; eine Standortbesichtigung mit einer Vertreterin der Samtgemeinde Leinebergland wegen des Sicherheitsabstandes zur Schaukel des Kindergartens fand statt, außerdem wurde die Nähe zur Eiche geprüft und begutachtet.

Eine Handschachtung musste vorgenommen werden, damit klar war, dass das Fundament des Schranks die Wurzeln des nahe wachsenden Baums nicht beschädigen würde. Diese körperlich recht anstrengende Arbeit (2 mal 35x35x45 cm) erledigte Ulrich Blasberg mit Angelas Hilfe sozusagen im Handumdrehen.

Besichtigung
Bauamtsleiter Maik Götze besichtigt die Baustelle

Eine Besichtigung des ausgesuchten Platzes und der Fundamenttiefe durch den Bauamtsleiter der Stadt Gronau Herrn Maik Götze wurde unkompliziert durchgeführt. Er lobte unsere Arbeit und brachte sogar noch einen Eimer Estrichsand zu unserer Überraschung und Freude mit! Inzwischen durfte unser fertiger Schrank noch eine kleine Weile in der Lamspringer Werkstatt auf seine Reise nach Betheln warten, denn es gab noch einiges zu erledigen!

Bernard Schorowski und Angela gossen die Fundamente, danach sollte noch gepflastert werden, damit der Schrank eine sichere, standfeste Plattform hatte und die Rasenpflege zukünftig problemlos vonstattengehen kann. Uwe Osenberg kam uns zur Hilfe und legte nach einer ersten, längeren Besprechung dann in kürzester Zeit die Steine, die später noch durch Hartmut Jacobs mit eigenem Rüttler bearbeitet wurden.

Uwe Osenberg setzt die Pflasterung
Uwe Osenberg erledigt die Pflasterung

Puuuuh – wer hätte gedacht, was alles zur Umsetzung dieses Projektes nötig sein würde!

Am 5. Juni 2020 konnte das gute Stück dann endlich durch die Lammetaler geliefert werden. Angela und Dietlind freuten sich sehr, dass Uwe Osenberg und Yannic Grapentin sofort zur Stelle waren, um den sehr stabilen, massiven und schweren Schrank an Ort und Stelle zu hieven.

Nun fehlte nur noch die Verdübelung, damit wir alle auf der sicheren Seite waren und der Bauamtsleiter, der den öffentlichen Schrank noch auf Standfestigkeit prüfen musste, mit unserer Arbeit ein weiteres Mal zufrieden sein konnte. Noch am gleichen Tag sorgte Bernard Schorowski mit Unterstützung von Andreas Kirschniok dafür. (Die "Wackelprüfung" fand dann übrigens gleich zwei Tage später durch Herrn Götze statt: der Schrank bestand diese Prüfung - nun mit amtlich bescheinigtem guten Ergebnis!)

Basis für Schrankmontage
Bernard Schorowski und Andreas Kirschniok sorgen für eine solide Befestigung

Wir Lesegruppenmitglieder trafen uns am Sonnabend, den 6.6. mit den zuverlässig Hand in Hand arbeitenden Helfern, um den Schrank würdig in Empfang zu nehmen. Zwischen 2 Regenschauern gab es einen kleinen Umtrunk, bei dem wir den ganzen Aufwand von der Idee bis zur Übernahme noch einmal Revue passieren ließen.

Ganz herzlich möchten wir an dieser Stelle noch einmal allen Spendern aus nah und fern danken, denn ohne ihre finanzielle Unterstützung stände der Bücherschrank heute noch nicht. Ebenfalls geht unser Dank an alle kleinen und großen Helfer, auf die wir uns stets verlassen konnten.

Mitglieder unserer Lesegruppe sortierten die vielen, sehr unterschiedlichen, aber durchweg gut erhaltenen und zum Teil recht aktuellen mitgebrachten Bücher ein.

Nun hoffen wir auf eine rege Nutzung – es soll mit Freuden gestöbert, getauscht und gelesen werden – eines kann schon jetzt gesagt werden: es lässt sich gut an!

Dietlind Kemmerer

Letzte Aktualisierung: 19.3.2024

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